Liebe Astrid,
ich kann dich sehr gut verstehen. Seit Wochen geht es mir auch außergewöhnlich schlecht und ich bekomme mein normales Pensum überhaupt nicht auf die Reihe.
Mein Mann ist ein Goldstück und würde hier zuhause durchaus mehr zupacken, doch er arbeitet viel und hart und seine eh zu geringen Erholungsphasen soll er nicht damit zubringen, den Staubsauger zu schwingen oder Wäsche aufzuhängen.
Mein Glück ist, dass ich beruflich flexible Arbeitszeiten habe. In schlechten Phasen kann ich weniger arbeiten, in besseren mehr. Wobei ich den Stapel, der sich in den letzten Wochen aufgehäuft habe, lieber nicht ständig vor mir sehen möchte. ?
Wäre eine Putzhilfe für dich eine Option? Dann wäre das Gröbste einmal in der Woche erledigt und für dich wäre der Druck weg, das spätestens am Wochenende machen zu „müssen“. Diesen Druck baust du dir ja selber auf.
Mein Mann (habe ich schon erwähnt, dass er ein Goldstück ist? ? ), ist völlig unkompliziert, sowohl was das Essen oder den Haushalt allgemein angeht. Ich selber habe gelernt, Staubflocken auch mal liegen zu sehen. Die Vervollkommnungsstufe, diese auch noch lieben zu können, habe ich allerdings noch nicht erreicht ? . (Falls jemand die Geschichte nicht kennen sollte: Geht ein Mann, der dem Löwenzahn in seinem Garten nicht Herr wird, zu einem Weisen und fragt ihn, was er machen könne. Mein dieser: Wenn du dem Unkraut nicht beikommen kannst, dann lerne, den Löwenzahn zu lieben. ? )
In guten Phasen koche ich doppelt und fülle meinen Tiefkühlschrank für anstrengende Migränezeiten.
Ich habe in vielen Bereichen das Loslassen gelernt.
Das Loslassen von der Vorstellung, wie ich gerne in allen Bereichen leben würde, denn das kann ich mit meiner Migräneerkrankung nicht.
Das Loslassen von Erwartungen an mich selber, welche Arbeiten wann wie wo erledigt sein sollten. (Bsp: Fenster werden erst geputzt, wenn es schwierig wird zu erkennen, ob es draußen regnet. ? )
Das Loslassen von dem Wunsch, alles unter einen Hut zu bringen. Ich bringe es nicht unter einen Hut. Doch ich habe die Wahl im Setzen meiner Prioritäten, und das mit der Zeit und der Kraft, die mir meine Erkrankung lässt.
Ich musste auch Freundschaften loslassen. Wenn man immer wieder Termine nicht wahrnehmen kann oder sich Triptan-dösig in einer lustigen Gesellschaft bewegt, die mir dann zu laut und zu anstrengend ist, ist beiden Seiten nicht geholfen. Und so reduzieren sich gewisse Beziehungen einfach von alleine.
Ich kann mein Leben nicht mit Volldampf leben, eher auf Sparflamme. Es war die größte Herausforderung von allen in Bezug auf meine Migräneerkrankung, diesen Zustand akzeptieren zu lernen und das Beste draus zu machen und damit zufrieden zu sein. Und es ist durchaus sehr entspannend, wenn man diesen Druck mal los ist, immer mehr machen zu müssen als man kräftemäßig kann. Und ebenso, wenn man sich von der Hoffnung verabschiedet hat, dass alles mal wieder „gut“ wird. Sollte dieser Zustand jemals eintreffen, wäre es genial, aber ich rechne nicht damit und verschwende auch keine Energie mehr in diverse Hoffnungsszenarien.
„Carpe diem“ = pflücke den Tag. Was eben heute geht.
Lieber Gruß
Heika
P.S. Unsere Texte nicht zu lang. 😉
Man kann nicht immer alle Gedanken in drei Zeilen pressen. 😉
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Diese Antwort wurde geändert vor 2 years, 7 months von
heika.