Berufstätigkeit und Migräne

Berufstätigkeit und Migräne

Mobbing / Bossing meine frischen Erfahrungen

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    Hallo ihr Lieben,
    ich wollte mit Euch mal meine taufrischen Erfahrungen teilen. Vielleicht habt ihr ja schon etwas ähnliches erlebt. Vorsicht, das ist ganz schön lang geworden.
    Kurz zu mir:
    Ich bin Mitte 30 und habe ca. seit ich 20 bin Migräne. Die sich mit den Jahren verschlimmert hat. Im Moment ist es eigentlich ganz gut, ich nehme Amitriptilyn.

    Ich arbeite seit fast 10 Jahren beim Rechtsanwalt. Bislang hatten wir ein recht gutes und, so wie ich dachte, auch offenes und ehrliches Verhältnis, wobei einem aber ständig die Krankheitstage vorgehalten werden und es in der Vergangenheit schon einen Vorfall gab, bei dem er äußerst wenig Taktgefühl gezeigt hat. Krankheitstage hatte ich im letzten Jahr 16 (mein Chef ist der Meinung, ich hatte 44. Aber ich weiß nicht, woher er diese Zahl hat) und in diesem Jahr 7 wegen Migräne und weitere 8 weil ich operiert wurde. Meine Kollegin, ohne irgendwelche chronischen Erkrankungen, ist weitaus häufiger krank. Bienenstich, Fußschmerzen, Sonnenbrand, 2-3 Erkältungen im Jahr, Nackenschmerzen und so weiter, vielleicht waren die 44 Tage von ihr.

    In einem kürzlich geführten Personalgespräch, in welchem ich eigentlich meine Konditionen mal wieder neu verhandeln wollte, hat mein Chef sein wahres Gesicht gezeigt. Ich stehe irgendwie immernoch unter Schock. Habe seit dem nicht mehr geschlafen und mir ist eigentlich die ganze Zeit schlecht. Und ich frage mich, warum ich fast 10 Jahre meines Lebens hier verschwendet habe.

    Folgendes durfte ich mir anhören:
    1. Ich bin schuld, dass meine Kollegin vor einigen Jahren hier aufgehört hat. Ich habe sie quasi mit meinen Stimmungsschwankungen, ausgelöst durch Migräneattacken vergrault. (In Wahrheit hat sie sich hier unterfordert gefühlt und war quasi die ewige Auszubildende, aber Chef sagte dazu – wortwörtlich – zu mir „Das ist Ihre Wahrheit“)

    Die nächste Kollegin wollte wegen mir angeblich auch aufhören. Da weiß ich nicht, wie es wirklich ist, ich glaube ihr jetzt nämlich nix mehr. Ich hatte ihr nämlich anfangs gesagt, dass sie sagen soll, wenns irgendwo drückt und das hat sie nie getan. Wir haben uns eigentlich gut verstanden und sogar über private Dinge miteinander gesprochen. Eigentlich ein freundschaftlich kollegiales Verhältnis. Sie ist aber lieber hinterm Rücken zum Chef gegangen und hat gesagt, dass sie mit mir nicht mehr in einem Büro sitzen will. Sie hat aber ein grundsätzliches Problem damit, mit anderen ein Büro zu teilen, das hat sie mir nämlich erzählt. So hat sie es aber leider nur zu mir gesagt, zum Chef hat sie gesagt, sie will sich das Büro nicht mit mir teilen, weil ich öfter mürrisch gucke (Lächelt ihr eigentlich die ganze Zeit, wenn ihr Migräne habt?). Ich wurde übrigens nie nach meinem Eindruck der Situation gefragt, sondern direkt mit Vorwürfen konfrontiert. In den ganzen Jahren hat nie jemand zu mir gesagt, das meine Krankheit für alle eine solche Belastung ist. Angeblich, weil ich ja sonst vielleicht gegangen wäre usw.
    2. Meinen Chef und wohl alle anderen auch, nervt es, Rücksicht auf mich nehmen zu müssen.
    3. Ich werde hier niemals eine Gehaltserhöhung bekommen, wegen meiner Krankheit. (Gleichzeitig sind die mit meiner Arbeit aber zufrieden und wollen mich nicht verlieren. Findet den Fehler)
    4. Ich kann froh sein, dass ich hier noch arbeiten darf.
    5. Woanders wäre ich mit meiner Migräne längst gekündigt worden.
    All das hat er tatsächlich so gesagt.
    Ach so und ich bin egoistisch und alles dreht sich nur um mich, damit auch jeder Rücksicht nimmt.
    Es sind noch einige andere unschöne Sachen gefallen, aber das wird jetzt zuviel. Ich habe noch einen Chef, der sieht das nicht so, kann sich aber leider nicht durchsetzen.

    Ich gehe trotzdem noch ins Büro, keine Ahnung warum. Ich versuche jetzt, alle um mich herum anzulächeln aber ich glaube nicht, dass das Lächeln echt aussieht.
    Meine Kollegin verhält sich mir gegenüber so, als ob sie diejenige ist, die hier den großen Anschiss bekommen hat, dabei ist sie mit dem Chef richtig dicke.

    Ich werden mich jetzt woanders hin orientieren, obwohl es schon an mir nagt, dass der Chef meint, ich habe woanders keine Chance und werde dort eh wieder gekündigt. Ich meine, wir machen uns doch sowieso schon Gedanken, da muss man nicht auch noch draufhauen.

    Ach so und ich bin selbst schuld, dass er mir das jetzt alles an den Kopf geworfen hat, weil ich so lange nachgebohrt hat. Allerdings hat er bei der Begründung, warum ich keine Gehaltserhöhung bekomme, Andeutungen gemacht, die dann natürlich erfragt werden müssen. Aber er meint, hätten ich nicht nachgebohrt, hätte er das nicht gesagt.

    Ich frage mich immer noch, wie ich in diesem falschen Film landen konnte…

    Katrin
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 1276

    Hallo Nervensäge,

    erstmal eine Frage, die du nicht beantworten musst, wenn du nicht magst: wie kommst du auf „Nervensäge“? Mir widerstrebt es ehrlich gesagt, dich so anzureden. Aber du hast dir diesen Namen nun ausgesucht, und ich kann mich gleich mal wieder in Toleranz üben ?!

    Ich habe Ähnliches erlebt wie du und kann deshalb wahrscheinlich gut nachvollziehen, wie du dich jetzt fühlst. Es ist sehr schmerzhaft, wenn sich das Blatt unverhofft und schneller wendet, als man gucken kann. Das kann einen dann schon umhauen.

    Hier also mal meine Gedanken zu deinen Zeilen:

    Krankheitstage hatte ich im letzten Jahr 16 (mein Chef ist der Meinung, ich hatte 44.

    Die Anzahl deiner Krankheitstage lässt sich nachweisen: entweder mit den Ausfertigungen für den Versicherten, die du dir hoffentlich abgeheftet hast oder mit einem Nachweis deiner KK.

    Und ich frage mich, warum ich fast 10 Jahre meines Lebens hier verschwendet habe.

    Nun, du hast am Anfang geschrieben, dass du das Verhältnis bis zu diesem Vorfall als recht gut, offen und ehrlich wahrgenommen hast. Vielleicht lässt sich diese Zeit gerade deshalb auch als Gewinn betrachten, denn möglicherweise hast du in dieser Zeit auch viel gelernt, was dir für deinen weiteren beruflichen Weg nützlich sein wird.

    Ich werden mich jetzt woanders hin orientieren, obwohl es schon an mir nagt, dass der Chef meint, ich habe woanders keine Chance und werde dort eh wieder gekündigt.

    Dich neu zu orientieren, halte ich für sinnvoll und würde das wahrscheinlich auch tun, sofern sich das Ganze nicht klären lässt oder klären lassen will – von welcher Partei auch immer.
    Mir fällt da ein Spruch auf einem meiner Lesezeichen ein, der da lautet: Glauben Sie nicht alles, was Sie denken! Den würde ich in deinem Fall jetzt mal so umformulieren: Glaube nicht alles, was dir jemand sagt oder was jemand meint! Ich würde das eher unter der Rubrik Einschüchterungsstrategie einordnen, die dich von deinem Ziel – wenn ich das richtig verstanden habe, war das Ziel eine Gehaltserhöhung (?) – abbringen soll. Man könnte es auch als klein-machen-wollen betrachten. Dass diese Leute bei Leuten wie uns, die eine solche Krankheit im Gepäck haben, meinen, leichtes Spiel zu haben, ist ihnen wohl auch bewusst. Wahrscheinlich rechnen sie nicht damit, dass man auch anders als eingeschüchtert reagieren könnte.
    Ich kenne keinen Migräniker, der sich ohne schlechtes Gewissen krankschreiben lässt. Meine eigene Erfahrung ist eher die, dass ich noch auf dem Zahnfleisch kriechend arbeiten gegangen bin…!

    Also, lass dir nichts einreden und dich nicht einschüchtern und suche vielleicht nochmal das Gespräch, wenn es DIR das wert ist. Wenn DU das möchtest und für sinnvoll erachtest, könntest du auch nochmal mit der „armen angeschissenen“ Kollegin reden und sie fragen, warum sie dem Chef und den Kollegin nicht ehrlich sagt, was sie braucht, um gut arbeiten zu können.

    Wenn der andere Chef sich aus welchen Gründen auch immer nicht durchsetzen kann, ist mit seinem Einsatz für dich wohl kaum zu rechnen.

    Natürlich kann es anstrengend sein, Rücksicht zu nehmen. Aber Rücksicht auf sich selbst und untereinander sollte in einem gewissen Rahmen für uns denkende und fühlende Wesen selbstverständlich sein und nicht allzu schwer fallen – egal ob krank oder gesund. In unserer scheinbar so herrlich individuellen Welt und „Ellenbogengesellschaft“ gehört diese Eigenschaft scheinbar nicht mehr zur „Grundausstattung“ eine jeden Menschen bzw. wurde erfolgreich abtrainiert…!
    Wenn die Forderung nach Rücksicht nicht überzogen ist, dann ist es kein Egoismus, sondern Selbsfürsorge. Und für uns selbst können wir nun mal eben am besten selbst sorgen, weil wir unsere Bedürfnisse am besten kennen (wenn wie sie kennen). Das wird und muss nicht jedem gefallen – deshalb werden dann gerne solche „Kampfwörter“ wie z.B. Egoismus ins Feld geführt.

    3. Ich werde hier niemals eine Gehaltserhöhung bekommen, wegen meiner Krankheit. (Gleichzeitig sind die mit meiner Arbeit aber zufrieden und wollen mich nicht verlieren. Findet den Fehler)

    Ach was? Sie sind mit deiner Arbeit zufrieden, wollen dich nicht verlieren, dir aber dein Gehalt nicht erhöhen, weil du krank bist? Da fragt man sich, wer jetzt bitte krank ist…! Wo hier der Fehler liegt, ist für mich klar erkennbar.

    4. Ich kann froh sein, dass ich hier noch arbeiten darf.

    Vielleicht ist er ja eher froh, dass du noch dort arbeitest.

    5. Woanders wäre ich mit meiner Migräne längst gekündigt worden.

    Gegenfrage: warum hat er dir noch nicht gekündigt, wenn es seiner Meinung nach woanders üblich sei?

    Ich frage mich immer noch, wie ich in diesem falschen Film landen konnte…

    Ich weiß nicht, ob sich eine (zufriedenstellene) Antwort auf diese Frage finden lässt. Wenn du dich jetzt zum Lächeln zwingst, spielst du dir und den anderen in diesem „Unehrlichkeitstheater“ etwas vor. Und wenn du dich wirklich im falschen Film fühlst, dann finde eine neue „Bühne“.

    Alles Liebe
    Katrin

    Viva la Vida! ?

    Übrigens habe ich den Knebelvertrag, den mir mein Ex-Chef damals unterjubeln wollte, nicht unterschrieben. Das zog die Kündigung nach sich, aber nach dem ersten Schock konnten sich mein Frust und meine Wut in Dankbarkeit dafür umwandeln, dass er mich rausgeworfen hat, weil ich gemerkt habe, wie viel von dem Druck, den ich durch ihn hatte, von mir abfiel!

    Ginster
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 3

    Liebe Nervensäge
    Ich habe genau dasselbe erlebt auf der Arbeit
    Ich hatte bis 2006 wenig bis keine Krankentage weil ich meine damals noch episodische Migräne medikamentös gut um Griff hatte
    Dann wurde sie 2006 chronisch und die Attacken schlimmer
    Nun ist es bei mir so dass ich Beamtin bei der Deutschen Bahn bin und da ich an meinem ursprünglichen Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten konnte musste ich mir im öffentlichen Dienst eine neue Tätigkeit suchen
    Du glaubst gar nicht wie oft die Stimmung bei der Arbeit gekippt ist wenn ich mal wieder meine Migränetage hatte
    Und wie lange ich nur abgeordnet wurde (das heißt ausgeliehen an Bundesämter mein eigentlicher Arbeitgeber blieb die Bahn)
    während andere Kollegen nach mir kamen öfter krank waren und trotzdem von den Bundesämtern übernommen wurden
    Und wie oft muss ich mir auf der Arbeit und sogar im Freundeskreis anhören ich würde so unfreundlich aussehen wenn ich einfach nur erschöpft bin (vielleicht sollten wir Migräniker einen Schleier tragen)
    Erst dieses Jahr wurde ich von einem Arbeitgeber übernommen
    Dort distanziere ich mich jetzt von den Kollegen und konzentriere mich auf meine Arbeit weil die Kollegen inzwischen auch über mich lästern und ich einfach Angst habe dass die Stimmung wieder kippt
    Ich bin übrigens inzwischen wegen meiner Migräne zu 40 % behindert und gleichgestellt aber das hat mir auf Arbeit nicht wirklich geholfen
    Ich wünsche dir für die Zukunft alles Gute und hoffentlich bekommst du mal eine Kollegin die mehr Hirn und vor allem Mitgefühl hat
    Liebe Grüße
    Birgit

    Bettina Frank
    Administrator
    Beitragsanzahl: 33393

    Hallo Nervensäge,

    ich kann Dir nur raten, Dich sehr schnell um einen Schwerbehinderten-Ausweis zu kümmern. Dir stehen dann gewisse Rechte zu und man muss auf Dich Rücksicht nehmen. Eventuell ist Euer Verhältnis in der jetzigen Firma schon zerrüttet, aber für eine neue kann so ein Ausweis hilfreich sein.

    Liebe Grüße
    Bettina

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