Migräne und Begleiterkrankungen

Migräne und Begleiterkrankungen

Migräne und Prosopagnosie (Gesichtsblindheit)

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  • BaluForKanzler
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    Beitragsanzahl: 53

    Hallo, Ihr alle,

    Neben der Migräne, bei der ja eine genetische Ursache diskutiert wird und in meinem Fall ziemlich offensichtlich ist, habe ich eine weitere Erkrankung von Geburt an, die genetisch bedingt ist. Sie hat den zungenbrecherischen Namen Prosopagnosie. Man spricht es wie zwei Wörter: Prosop-Agnosie. Es bedeutet Gesichtsblindheit oder die Unfähigkeit, die Identität einer bekannten Person anhand ihres Gesichtes zu erkennen. Für jemanden, der diese Störung nicht hat, eigentlich unvorstellbar.

    Wenn ich meine beste Freundin in der Stadt treffe, erkenne ich sie nicht. Auf große Parties kann ich nicht gehen, weil ich dort keinen finde, den ich kenne, selbst wenn dort lauter Bekannte sind. Spielfilme im Fernsehen schaue ich mir nicht an, weil ich ständig den Faden verliere, weil ich nicht weiß, ob der Herr im grünen Pullover derselbe ist, der in der Szene vorher einen roten trug, oder ob es eine andere Person ist. Auf mehrtägige Fortbildungen zu gehen, ist für mich ein Graus, weil ich die Person, mit der ich mich am Vortag noch ganz nett unterhalten habe, in der Gruppe nicht mehr finde, weil sie ihre Haare jetzt vielleicht anders frisiert hat oder eine andere Bluse trägt. Wenn ich mich mit Freunden in einem Lokal verabrede, muss ich unbedingt vor ihnen dort sein, denn wenn ich nach ihnen komme, irre ich durch das Lokal und an ihrem Tisch vorbei und erkenne sie nicht. Manchmal treffe ich irgendwo jemanden, der mich anspricht und eine längere Unterhaltung mit mir beginnt und ich habe die ganze Zeit keine Ahnung, mit wem ich eigentlich spreche, bis vielleicht irgendwann ein Schlüsselwort fällt, das es mir möglich macht, die Person zu identifizieren. Gespräche dieser Art können ziemlich anstrengend sein, weil ich natürlich die ganze Zeit versuche, mich einerseits mit oberflächlichem Smalltalk nicht zu verraten, aber andererseits doch irgendwie versuche rauszukriegen, wer da eigentlich vor mir steht.

    Das alles sind nur ein paar Beispiele dafür, wie diese Störung den Alltag mit lustigen Anekdoten bereichert, manchmal aber auch nervt. Wer sich ein bisschen in meine Welt einfühlen möchte, stelle sich doch einfach mal vor, wie es euch mit Chinesen oder Schwarzafrikanern geht. Sehen die nicht auch alle irgendwie gleich aus? Naja, und so ähnlich geht es mir halt mit Lieschen Müller und Max Mustermann.

    Die Wissenschaft befasst sich noch gar nicht so lange mit diesem Störungsbild und man vermutet, dass die Dunkelziffer recht groß ist, weil die Betroffenen gelernt haben, ihre Mitmenschen anhand anderer Merkmale als ihrem Gesicht zu identifizieren und auf diese Weise eigentlich doch ganz gut durchs Leben kommen. Mich würde interessieren, ob es unter Migränepatienten vielleicht auch vermehrt Betroffene mit Prosopagnosie gibt oder was Euch überhaupt dazu einfällt.

    Liebe Grüße, BaluForKanzler

    Maika Ewert
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 26

    hey… ehrlich gesagt, ich höre zum ersten mal von dieser krankheit. und es muss wirklich anstrengend sein, ich stelle es mir zumindest so vor. hast du es denn schon von geburt an? und wenn ich es richtig verstehe, hast du es in deinem freundeskreis nicht gesagt, warum? sicher erkennst du deine engen freunde dann an hand der stimme oder? wie ist es denn berufsmäßig? arbeitest du in einem überschaubarem betrieb?

    entschuldige die vielen fragen… hoffe das ist in ordnung.

    sternchen
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 4964

    Liebe BaluForKanzler,
    auch ich habe von dieser Krankheit noch nicht gehört. Mir selbst fällt es jedoch auch oft sehr, sehr schwer Personen wiederzuerkennen. Ich komme mir manchmal total blöd vor, wenn ich mir bekannte Personen 1. nur erkenne, wenn sie sehr nah vor mir sind, und 2. Personen die ich nur selten sehe nicht wiedererkenne. Außerdem habe ich einmal eine längere Zeit im Koma gelegen. Danach haben mich Personen besucht, die ich zwar als mir bekannt zuordnen konnte, ich konnte sie aber nicht einordnen. Das waren wirklich sehr stressige und auch peinlich Situationen. Insofern kann ich vielleicht ein ganz klein wenig verstehen worüber du schreibt. Wenn gleich ich das Ausmaß nicht überblicken kann.
    Da eröffnen sich für mich die gleichen Fragen, die auch Maika schon stellt. Aber zunächst möchte ich mich für Deine Offenheit bedanken.
    Lieber Gruß
    Sternchen

    BaluForKanzler
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 53

    Liebe Maika,
    Ich habe diese Störung von Geburt an, weiß es aber erst seit ein paar Jahren. Ich erkenne Menschen an ihrer Stimme, Klamotten, Frisur, Schmuck, Brille, Gang, Körperhaltung, irgendwelche Auffälligkeiten oder Behinderungen. Ich habe es einigen engen Freunden gesagt. Die konnten es kaum glauben. Geändert hat sich dadurch (natürlich) nichts.

    Als ich noch gearbeitet habe – in einem Betrieb mit sehr viel wechselnden Menschenkontakten – gab es bedingt durch diese Störung zahlreiche Schwierigkeiten und peinliche Situationen. Bevor ich von dieser merkwürdigen Krankheit wusste, dachte ich immer, ich sei einfach nur unaufmerksam und müsste mich mehr konzentrieren und besser aufpassen. Habe mir immer selber Vorwürfe gemacht. Es war eine große Entlastung, eines Tages zu erfahren, dass dieses Problem einen Namen hat, und dass es nicht an mir liegt.

    Liebe sternchen,
    Man kann diese Krankheit entweder angeboren oder auch nach einer Hirnschädigung durch Unfall oder Schlaganfall oder Tumor oder so etwas in der Art bekommen. Vielleicht ist Dir das durch Dein Koma passiert. Was mich interessieren würde, ist ob Du dieses Problem vor dem Koma auch schon hattest?

    Viele Grüsse. BaluForKanzler

    Bettina Frank
    Administrator
    Beitragsanzahl: 33363

    Liebe Balu,

    ich kenne diese Erkranung am ehesten eigentlich in einer Komorbidität mit dem Asperger Syndrom. Wobei kennen sicher nicht zutrifft, denn ich weiß nur, dass es die Krankheit gibt und man von der erblichen Form eigentlich gar nichts weiß.

    Wieso denkst Du, dass es einen Zusammenhang mit der Migräne geben könnte? Hatte mal ein Arzt den Verdacht geäußert?

    Wann wurde denn die Diagnose gestellt? Gibt es mehr Fälle in Eurer Familie. Mir ist jetzt nicht bekannt, inwieweit es vererbt sein kann. Auf jeden Fall bedeutet es für Dich einen enormen Stress, oder hast Du Dich daran gewöhnt und es stresst Dich nicht mehr, als andere Leute, die z.B. keine großen Menschenansammlungen ertragen können?

    Liebe Grüße
    Bettina

    Semi
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 806

    Hallo Balu,

    ich habe vor einigen Jahren einmal tatsächlich einen Bericht im Fernsehen über diese Erkrankung bzw. Störung gesehen und hat sich mir nachhaltig ins Hirn eingebrannt. Ich kann mir sehr gut deine Erleichterung vorstellen, als diese doch erhebliche Störung endlich einen Namen bekommen hat.

    MIch würde auch interessieren, seit wann du das bemerkt hast oder lässt sich das nicht nachvollziehen? Was ich mich frage ist, ob man seine Lieben im Umfeld erkennt? Also Menschen, die tagtäglich mit dir zusammenleben? Oder baut man sich da Brücken, um den Wiedererkennungswert zu erhalten? Ich kann mich an Details aus dem Bericht nicht mehr genau erinnern.

    Leider kann ich über Zusammenhänge mit der Migräne auch nichts berichten. Ich selbst kenne diese Erkrankung, wie geschrieben, nur von Berichten.

    Lg Semi

    sternchen
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 4964

    Liebe Balu,
    nein, vor meinem Unfall ist mir das nicht aufgefallen. Schon gut möglich, dass das Koma unter anderem auch diesen Schaden verursacht hat.
    Ganz lieber Gruß
    Sternchen

    BaluForKanzler
    Teilnehmer
    Beitragsanzahl: 53

    Hallo Bettina und Semi und alle anderen, die sich wundern,

    Also, die Krankheit wurde etwa vor 10 Jahren diagnostiziert. Zum ersten Mal störend aufgefallen ist mir das Problem in der Oberstufe der Schule, als es keine klaren Klassenverbände mehr gab, sondern sich im Jahrgang alles mischte und man eigentlich in jeder Stunde mit anderen Leuten zusammen saß. Wir waren über 100 Schüler im Jahrgang und ich habe bis zum Abi nicht alle gekannt.

    Meine Familienangehörigen erkenne ich im gewohnten Umfeld. Wenn sie mir irgendwo begegnen würden, wo ich sie nicht erwarte, wäre ich darauf angewiesen (wie bei allen anderen Begegnungen übrigens auch), dass sie mich erkennen und ansprechen. Sonst würde ich wohl vorbei laufen.

    Bettina, zu Deiner Frage, ob mich große Menschenansammlungen anstrengen. Ja und nein. Sie stressen mich, wenn ich dort Bekannte treffen (finden) soll. Sie stressen mich nicht, wenn ich quasi im Schutz von Freunden, die ich bereits getroffen habe, dorthin gehe, weil ich dann ja nicht mehr suchen muss. Klingt verrückt, ich weiß. Also, große Menschenansammlungen stressen mich unter bestimmten Bedingungen, aber nicht auf die Art, wie sie zum Beispiel einen Sozialphobiker stressen. Was für mich z.B. ganz unmöglich und sehr stressig wäre, zu einem Forentreffen zu kommen und Dich anhand des Fotos, das Du hier verwendest, zu finden. Allein bei der Vorstellung bricht mir der Schweiß aus.

    Dann noch zu Deiner Frage, wo ich evtl. einen Zusammenhang mit der Migräne sehe. Naja, es gibt einige Gemeinsamkeiten. Erstens die genetische Ursache. Die Prosopagnosie ist in den meisten Fällen vererbt, seltener durch Verletzungen des Gehirns verursacht. Meine Eltern haben keine Prosopagnosie, meine Großeltern kann ich leider nicht mehr fragen, mein Bruder hat das Aspergersyndrom. Zweitens ganz simpel die Lokalisation: Beides spielt sich im Gehirn ab. Und drittens ähneln sich bis zu einem gewissen Grad irgendwie die Symptome. Wenn ich Gesichter betrachte (Fotos oder „echte“ Menschen) mit dem Ziel, sie zu erkennen, bekomme ich bereits nach höchstens 10 Gesichtern ähnliche Symptome wie kurz vor einer Aura: Ein Flirren und Surren im Kopf, das allmählich in ein Druckgefühl übergeht, Gefühl von Geblendetsein in den Augen, körperliche Unruhe, die sich bis zu einem Angstgefühl steigern kann, zittrige Hände, Sensibilitätsstörungen an exakt den Körperstellen wie bei Migräne (rechte Gesichtshälfte, rechter Arm, rechte Hand). Deswegen fühlen sich diese beiden eigentlich so unterschiedlichen Krankheiten zumindest teilweise irgendwie ähnlich an. Ich weiß, dass das unlogisch klingt, aber ich kann es nicht besser erklären. Ihr könnt ja noch weitere Fragen stellen, vielleicht kriegen wir es zusammen noch klarer hin.

    Soweit erstmal…..

    Liebe Grüsse. BaluForKanzler

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