Welche Therapie ist wirksam? Welche Probleme können auftauchen?
Im Avatar sehr Ihr den Kopf des Gereon von Köln, welcher Schutzpatron gegen Kopfschmerzen ist.
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Paracetamol schadet dem ungeborenen Kind!
Schlagwörter: adhs, Asthma, Kryptorchismus, Paracetamol, schädlich, Schwangerschaft
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Paracetamol, Schwangerschaft, ADHS, Entwicklungsstörungen
Publiziert am 18. März 2014 von Prof. Dr. Hartmut GöbelParacetamol-Exposition während der Schwangerschaft erhöht nach neuen Studien bei den Kindern das Risiko u.a. für schwergradige Entwicklungsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Hyperaktivitätssyndrom (HAS)
Paracetamol gehört zu dem am meisten verwendeten Schmerzmittel während der Schwangerschaft. Mehrere Studien der letzten Jahre haben ein erhöhtes Risiko für Hodenhochstand und Unfruchtbarkeit bei Jungen und Asthma bei Kindern nach Paracetamol-Exposition während der Schwangerschaft beschrieben. In Hinblick auf die geringe Wirksamkeit von Paracetamol bei Schmerzen reichen alleine diese Risiken aus, um von der Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft zu warnen. Gleichwohl wird weiter in Publikationen Paracetamol als unbedenklich den Schwangeren geradezu aufgedrängt. Zwei neue Studien der letzten Monate haben nun weitere überraschende und erschreckende neue Risiken für die Paracetamol-Einnahme in der Schwangerschaft dokumentiert.
In einer norwegischen Mutter- und Kind-Studie wurden die vorgeburtliche Paracetamol-Exposition und die kindliche Entwicklung des Nervensystems untersucht (Brandlistuen et al. 2013). Hintergrund der Studie war, dass Paracetamol in vielen Ländern sehr extensiv in der Schwangerschaft eingesetzt wird, jedoch Studien zu möglichem Störungspotenzial der neuronalen Entwicklung des ungeborenen Kindes fehlen. Zwischen 1999 und 2008 wurden alle schwangeren norwegischen Frauen in die prospektive norwegische Mutter- und Kind Kohorten-Studie aufgenommen. Die Mütter wurden gebeten, den Einsatz von Paracetamol zwischen der 17. und 30. Schwangerschaftswoche sowie sechs Monate nach der Geburt zu berichten. Insgesamt wurden die Daten von 48.631 Kindern in die Studie aufgenommen, deren Mütter den Fragebogen bis zur 3-jährigen Nachuntersuchung im Mai 2011 ausfüllten. In dieser Stichprobe waren auch 2.919 gleichgeschlechtliche Geschwisterpaare, die zur Kontrolle eines familiären und genetischen Einflussfaktors herangezogen werden konnten, untersucht. Analysiert wurde die psychomotorische Entwicklung, das kindliche Verhalten sowie emotionale Parameter im Zusammenhang mit der pränataler Paracetamol-Exposition. Zahlreiche Faktoren wurden kontrolliert, die die Entwicklung beeinflusst haben könnten, diese schlossen u.a. Infektionen, Fieber sowie weitere Medikation während der Schwangerschaft ein.
Die sorgfältig kontrollierten Analysen ergaben überraschend, dass Kinder, die eine vorgeburtliche Paracetamol-Exposition für mehr als 28 Tage erfuhren, eine schlechtere gesamtmotorische Entwicklung aufwiesen, das Kommunikationsverhalten, das Sozialverhalten nach außen und nach innen gestört war und die Kinder verstärkte Hyperaktivität zeigten.
Auch Kinder, die nur eine Kurzzeitexposition für Paracetamol pränatal hatten (1-27 Tage) hatten ebenfalls eine schlechtere gesamtmotorische Entwicklung, jedoch waren die Effekte geringer als bei Langzeiteinnahme.
Die Einnahme von Ibuprofen war nicht mit Störungen der neuronalen Entwicklung verbunden.Die Autoren schlussfolgern, dass Kinder, die pränatal mit Paracetamol in Kontakt kommen, eine substantielle neuronale Entwicklungsstörung drei Jahre nach der Geburt aufweisen.
Eine zweite umfangreiche dänische Studie (Liew et al. 2014) untersuchte den Zusammenhang zwischen einer Paracetamol-Exposition in der Schwangerschaft sowie hyperkinetischen Störungen (HKS) und Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS). Die Studie geht davon aus, dass Paracetamol die am meisten verwendete Schmerzmedikation während der Schwangerschaft in vielen Ländern ist. Neue Forschungsdaten lassen annehmen, dass Paracetamol ein sogenannter Hormon-Disruptor ist, also ein Stoff, der wie ein Hormon wirkt und so das Gleichgewicht des Hormonsystems des Menschen stören kann. Hintergrund ist, dass Veränderungen des Hormonstoffwechsels während der Schwangerschaft die kindliche Hirnentwicklung vor der Geburt beeinflussen können. Vor diesem Hintergrund untersuchte die Studie, ob Paracetamol das Risiko für die Entwicklung von ADHS oder ähnlichen hyperkinetischen Erkrankungen bei Kindern erhöhen kann.
Insgesamt wurden 64.322 Kinder und Mütter in die Studie zwischen 1996 und 2002 aufgenommen. Die Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft wurde prospektiv über computerassistierte Telefoninterviews während der Schwangerschaft erfasst. Sechs Monate nach der Geburt erfolgte eine Nachuntersuchung. Um mögliche Verhaltensprobleme und hyperkinetische Erkrankungen zu dokumentieren wurden verschiedene methodische Mittel eingesetzt. Diese schließen Elternberichte über Verhaltensprobleme der Kinder im Alter von 7 Jahren ein, die dokumentierten hyperkinetischen Störungen des dänischen nationalen Krankheitsregistern und des dänischen psychiatrischen Zentralregisters und Verschreibungen von Medikamenten gegen Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörungen (in erster Linie Ritalin) mittels des dänischen Verordnungsregisters. Es wurde das Gefährdungsrisiko errechnet an einer hyperkinetischen Störung zu erkranken oder eine Verordnung für ein ADHD-Medikament zu bekommen.
Die Studie erbrachte ebenfalls ein Reihe unerwarteter Ergebnisse:
Mehr als die Hälfte aller Mütter berichteten, dass sie während der Schwangerschaft Paracetamol einsetzten.
Kinder von Müttern, die Paracetamol während der Schwangerschaft verwendeten, zeigten ein um den Faktor 1,37 erhöhtes Risiko für eine Krankenhausdiagnose einer hyperkinetischen Erkrankung.
Das Risiko für eine Verordnung von ADHD-Medikamenten war im Mittel um den Faktor 1,29 erhöht.
Das Risiko eine AHDH-ähnliche Verhaltensstörung im Alter von 7 Jahren aufzuweisen war im Mittel um den Faktor 1,13 erhöht.
Noch höhere Risikofaktoren zeigten sich, wenn Paracetamol länger als ein Trimester während der Schwangerschaft verwendet wurde, ebenfalls erhöhte sich das Risiko mit höherer Einnahmefrequenz und -dosis von Paracetamol.
Faktoren wie Entzündungserkrankungen, Infektionserkrankungen während der Schwangerschaft sowie psychische Erkrankungen der Mutter schienen keinen Einfluss auf diese Ergebnisse zu haben.Die dänische Autorengruppe schlussfolgert, dass Paracetamol während der Schwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für hyperkinetische Störungen und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) einhergeht. In Hinblick auf die hohe Einnahmehäufigkeit von Paracetamol während der Schwangerschaft sind diese Ergebnisse von hoher Relevanz für das öffentliche Gesundheitsverhalten und erfordern weitere Untersuchungen.
Diese neuen Studien belegen abermals, dass die Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft mit hohen lebenslangen Risiken für das ungeborene Kind einhergeht. Schwangere Frauen werden seit Jahrzehnten nahezu bedrängt, Schmerzen während der Schwangerschaft mit Paracetamol zu behandeln. Es wird suggeriert, dass es sich um die sicherste Medikation gegen Schmerzen handelt. Der Wirkstoff kann jedoch die Placenta passieren und das ungeborene Leben direkt in seiner Entwicklung beeinflussen. Die dänische Studie zeigt, dass für Kinder im 11 Lebensjahr das Risiko an einer ADHD-ähnlichen Störung zu erkranken um mehr als 30% höher ist, wenn Paracetamol während der Schwangerschaft eingenommen wurde. Das Risiko an einer schweren Form einer Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung zu erkranken ist bis zu 37% höher bei Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft Paracetamol eingenommen haben im Vergleich zu Kindern, deren Mütter kein Paracetamol während der Schwangerschaft eingenommen haben. Je länger die Paracetamol-Einnahme während der Schwangerschaft erfolgte, umso höher ist das Risiko für die Entstehung von ADHD. Wird über einen Zeitraum von mehr als 20 Wochen Paracetamol während der Schwangerschaft eingenommen, verdoppelt sich nahezu das Risiko für ADHD.
Diese neuen Studien sind von zentraler Bedeutung für schwangere Frauen und für Frauen, die schwanger werden möchten. ADHD-Diagnosen sind in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich häufiger geworden. Nach Studien in den Vereinigten Staaten ist die Häufigkeit von ADHD pro Jahr um 3% zwischen den Jahren 1997 und 2003 angestiegen und um 5% in den Jahren zwischen 2006 und 2011 (Daten des US Centers for Disease Control and Prevention). Es wird angenommen, dass heute bereits mehr als 11% der Kinder im Alter zwischen 4 und 17 Jahren an ADHD erkrankt sind.
Die Studien haben nicht die exakte Dosis erfasst. Auch ist eine entsprechende Studienanlage nicht geeignet nachzuweisen, dass Paracetamol ADHD verursacht. Sie belegt jedoch, dass die Einnahme von Paracetamol das Risiko für ADHD erhöht. Es besteht daher der begründete Verdacht, dass Paracetamol ein bedeutender Risikofaktor für die ADHD-Entstehung ist. Die Studie war nicht angelegt, die genauen Mechanismen der ADHD-Entstehung zu analysieren. Die Autoren erörtern jedoch, dass der Eingriff von Paracetamol auf den Hormonhaushalt die Entwicklung des Gehirns und des Nervensystems stören kann.
In Verbindung mit den vielfältigen Hinweisen, dass Paracetamol mit einem erhöhten Risiko für Asthma und Hodenhochstand bei vorgeburtlicher Exposition einhergeht, ist die Empfehlung, Paracetamol als sicheres und unbedenkliches Medikament während der Schwangerschaft einzusetzen, nicht mehr haltbar. Der Nutzen von Paracetamol ist gering. Es ist bei schweren Schmerzen nicht wirksam, bei Einsatz bei schwachen Schmerzen muss das jetzt bestehende umfangreiche Risiko für verschiedenste schwerwiegende lebenslange Erkrankungen abgewogen werden. Zudem gibt es für Paracetamol eine Alternative, die nicht mit den oben beschriebenen Risiken verbunden sind, nämlich Ibuprofen. Im ersten und zweiten Trimenon kann Ibuprofen ohne die vorbeschriebenen Risiken verwendet werden. NSARs wie Ibuprofen sollten jedoch im dritten Trimenon nicht eingesetzt werden. Paracetamol hilft gerade bei Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und anderen ähnlichen Alltagsschmerzen nur sehr eingeschränkt. Bei schweren Schmerzen ist es weitestgehend nutzlos. Gerade bei Kopfschmerzen sollten Ruhe, Reizabschirmung, Entspannung in erster Linie eingesetzt werden. Pfefferminzöl hat sich in kontrollierten Studien gegen Spannungskopfschmerzen ebenso wirksam erwiesen wie Paracetamol. Mit Rückblick auf die jetzt bekannten erheblichen Risiken fällt die Risikoabwägung für Paracetamol negativ aus, die Risiken überwiegen deutlich dem limitierten Nutzen.
Es ist in jedem Fall unabdingbar, dass Frauen, die während der Schwangerschaft eine Schmerzbehandlung brauchen, auf die jetzt bekannten Risiken eindeutig hingewiesen werden. Sie sollten sich vor der Anwendung folgende Fragen stellen: Möchte ich, dass mein Kind durch die Einnahme eines schwach wirkenden Schmerzmittels
1. ein erhöhtes Risiko für Unfruchtbarkeit bekommt?
2. ein erhöhtes Risiko für Allergien und Asthma bekommt?
3. ein erhöhtes Risiko für eine schlechtere gesamtmotorische Entwicklung, beeinträchtigtes Kommunikations- und Sozialverhalten sowie verstärkte Hyperaktivität bekommt?
4. ein erhöhtes Risiko für hyperkinetische Störungen (HKS) und Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) bekommt?Wenn nur eine dieser Fragen mit nein beantwortet wird, wird man sich auch im Zweifel für das Wohl des ungeborenen Kindes entscheiden.
Literatur
1: Brandlistuen RE, Ystrom E, Nulman I, Koren G, Nordeng H. Prenatal paracetamol exposure and child neurodevelopment: a sibling-controlled cohort study. Int J Epidemiol. 2013 Dec;42(6):1702-13. doi: 10.1093/ije/dyt183. Epub 2013 Oct 24. PubMed PMID: 24163279; PubMed Central PMCID: PMC3887567.
2: Liew Z, Ritz B, Rebordosa C, Lee PC, Olsen J. Acetaminophen Use During Pregnancy, Behavioral Problems, and Hyperkinetic Disorders. JAMA Pediatr. 2014 Feb 24. doi: 10.1001/jamapediatrics.2013.4914. [Epub ahead of print] PubMed PMID:24566677.
Ein geradezu erschütternder Bericht.
Danke für den Artikel, Bettina!
Vielleicht erklärt das auch, warum immer mehr Kinder AD(H)S haben …
Viele Grüße
SusisonneSehr erschreckend, dass heute noch viele Ärzte dazu raten Paracetamol einzunehmen!
Im Akutfall besser eine Ibu Profen nehmen, hab ich es richtig verstanden? Weiß jemand von euch welche Risiken bei Ibu auftreten können?
Oh nein , liebe Jessy,
Ibuprofen kann gegen Ende der Schwangerschaft großen Schaden Anrichten. Wenn man es nimmt, gibt es evtl. die Komplikation, dass der Ductus Botalli, die bis zur Geburt offene Verbindung zwischen den Herzkammern, sich vorzeitig schliesst.
Also, lieber gar nichts nehmen in der Schwangerschaft.Lieber Gruß, Julia
Ich finde den Bericht auch erschütternd. Noch schlimmer allerdings finde ich, dass gewisse Stellen nach wie vor verharmlosen und anscheinend immer noch auf weitere Studien warten. Wie lange soll eigentlich noch gewartet werden, frage ich mich da.
Liebe Susisonne, ich beantworte Deine Frage in der PN gleich hier. Embryotox beschwichtigt nach wie vor, man will wohl das Gesicht nicht verlieren. Es gibt zwar seit heute eine Stellungnahme zu Paracetamol und man räumt ein, dass es doch nicht ganz so harmlos sein „könnte“. Gleich danach beruhigt man wieder, dass doch recht wenige Kinder betroffen seien und man spricht von eventuellen methodischen Unzulänglichkeiten der Studien. Für mich absolut unverständlich, diese Plattform kann ich persönlich nicht mehr ernst nehmen.
Schon vor Jahren hatte ich Embryotox kontaktiert und auf die Gefahr des Hodenhochstands bei Jungen und Asthma hingewiesen, wenn Schwangere Paracetamol einnehmen. Es wurde beschwichtigt, geraten, keine Panik zu schüren und zudem wurde die Aussagekraft der Studie in Frage gestellt. So weit zur Verantwortungsbereitschaft dieser Plattform.
Magnesium kann besonders als Infusion bei Attacken helfen. Es ist unschädlich fürs Kind und ist oft sehr effektiv. Sonst sollte man – wenn irgend möglich – kein Medikament einnehmen. Praktisch alle Medikamente sind plazentagängig, das ungeborene Kind will und braucht für eine gesunde Entwicklung aber keine Medikamente. Ganz im Gegenteil!
Liebe Grüße
BettinaErschütternd ist der richtige Ausdruck!
Sowohl der Bericht, als auch die Reaktion mancher Stellen, denen es offenbar wichtiger ist, ihr Gesicht zu wahren…Ich muss gerade an ein Erlebnis aus meine Studienzeit denken – wir hatten ein Labor besichtigt, dass u.a. auch mit CMR-Stoffen zu tun hat. Mitten in der Besichtigung fiel der Dame ein „Ach übrigens, Schwangere Personen dürfen sich hier nicht aufhalten. Aber falls jemand von Ihnen schwanger ist, ist das gar kein Problem, Sie können sich einfach nach der Besichtigung bei mir melden, dann wird das dokumentiert.“
Was hilft es dem ungeborenen Kind, wenn auf einem Blatt Papier steht, dass es eventuell einer Gefahr ausgesetzt war?
Ich merke schon, ich schweife ab – sorry.
Ich hoffe sehr, dass diese Studie bald – und zwar sehr bald – auch in den Köpfen jener ankommt, die bislang noch versuchen, die Ergebnisse zu schönen… Es geht schließlich um ungeborene Kinder und ihr Wohlergehen!
Liebe Grüße, Tanni
Bitte lesen, wichtige neue Meldungen zu Paracetamol!
Paracetamol in der Schwangerschaft kann die Fruchtbarkeit der Söhne stören
In einer neuen sehr sorgfältigen experimentellen Studie wurde von Wissenschaftlern der Universität von Edinburgh entdeckt, dass das Schmerzmittel Paracetamol die Produktion des männlichen Geschlechtshormons Testosteron in der Schwangerschaft unterdrücken kann. Die Verminderung kann bereits eintreten, wenn während der Schwangerschaft über sieben Tage Paracetamol eingesetzt wird. Testosteron ist ein Schlüsselhormon für die Entwicklung der Geschlechtsorgane von männlichen Embryonen. Die Studie ist ein weiterer Beleg für die gravierenden Auswirkungen von Paracetamol, in der Schwangerschaft eingenommen, für die weitere lebenslange Entwicklung der Nachkommen.
Bereits im Jahre 2011 hat eine epidemiologische Studie auf das signifikant erhöhte Risiko für die Entwicklung einer Lageanomalie des Hodens bei Jungen (Kryptorchismus) hingewiesen. Bei den betroffenen Kindern kann es später zu einer verminderten Zeugungsfähigkeit und einem erhöhten Risiko für das Auftreten von bösartigen Hodentumoren kommen. Die Spermienanzahl und die Spermienvitalität im späteren Leben können vermindert werden. Die kombinierte Einnahme von zwei Schmerzmitteln bei Schwangeren war mit einer siebenfach erhöhten Rate eines Kryptorchismus der neugeborenen Jungen verbunden. In dieser Studie wurde der Verdacht geäußert, dass die Auswirkungen von bereits einer Tablette Paracetamol mit 500 mg für das ungeborene Kind schädlicher sein könnte, als die zehn häufigsten Umweltschadstoffe. Der Untersuchung wurde als Kritik entgegengehalten, dass ein ursächlicher Zusammenhang noch nicht definitiv bewiesen sei.
Genau diese Kritik hat nun die aktuelle Studie aus Edinburgh aufgegriffen und die Mechanismen eingehend analysiert. Um den Zusammenhang zwischen Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft und den Einfluss auf die Fruchtbarkeit der Kinder aufzuschlüsseln wurde ein experimenteller Ansatz eingesetzt, der den Bedingungen während der menschlichen Schwangerschaft so nah wie möglich kommt. Mäusen wurde menschliches Hodengewebe implantiert. Paracetamol wurde den Mäusen dann für sieben Tage in den üblichen therapeutischen Dosen verabreicht.
Prof. Hartmut Göbel, Chefarzt der Schmerzklinik Kiel: „Die Studie untersucht die möglichen Abläufe, mit denen Paracetamol die fötale Entwicklung der Geschlechtshormone stört. Besonders bedeutsam dabei ist, dass die Paracetamol-Konzentrationen in der Studie nicht höher waren, als die, die normalerweise beim therapeutischen Einsatz beim Menschen eingesetzt werden“.
Die mit Paracetamol behandelten Mäuse zeigten deutlich niedrigere Spiegel von Testosteron in ihrem Blut als Mäuse, die mit einem Placebo behandelt worden sind. Wurden die Mäuse jedoch nur für einen Tag mit Paracetamol behandelt, zeigte sich kein bedeutsamer Effekt auf die Testosteronproduktion.
Prof. Hartmut Göbel: „Die Studie entschlüsselt erstmals, wie Paracetamol männliche Geschlechtshormone während der Entwicklung der Geschlechtsorgane im Mutterleib bei männlichen Föten stört“.
Der Hauptautor der Studie, Dr. Rod Mitchell, kommentierte: „Diese Studie fügt einen weiteren Beleg zu dem bisherigen Wissen hinzu, dass der längere Einsatz von Paracetamol während der Schwangerschaft das Risiko für eine Störung der Fruchtbarkeit bei männlichen Babys erhöht. Wir empfehlen daher schwangeren Frauen, Schmerzmittel in so geringer Dosis wie nur irgendwie möglich einzunehmen.“
Die meisten Störungen der Fruchtbarkeit von Männern hängen mit einer verminderten Testosteronproduktion während der embryonalen und fötalen Phase vor der Geburt zusammen. Die Faktoren, die eine Verminderung der Testosteronproduktion im Mutterleib bedingen, sind jedoch weitestgehend unbekannt. Aufgrund epidemiologischer Studien ist bekannt, dass der Kontakt mit Paracetamol von ungeborenen Kindern während der Schwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für Hodenhochstand, späteren Hodenkrebs und Unfruchtbarkeit verbunden ist. Unklar war jedoch, ob Paracetamol direkt die Testosteronproduktion während der Fetalphase vermindern kann. Die Studie überprüfte an menschlichem fötalem Hodengewebe, ob Paracetamol die Testosteronproduktion verändern kann. Der Kontakt von therapeutischen Dosierungen von Paracetamol für sieben Tage bedingte eine bedeutsame Reduktion der Testosteronspiegel um 45%. Das Hodengewicht reduzierte sich um 18% ebenfalls signifikant. Weitere Studien an Ratten zeigten, dass die Paracetamol-bedingte Reduktion von Testosteron durch eine reduzierte Expression von wichtigen Steroiden bedingt wird, die als Enzyme bei der Bildung von Testosteron erforderlich sind.
Prof. Hartmut Göbel: „Die Studie verdeutlicht an einem sehr sorgfältig durchgeführten experimentellen Modell, warum Paracetamol während der Schwangerschaft eingenommen zu Hodenhochstand und verkleinerten Hoden führen kann sowie mit lebenslangen Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit haben kann“.
Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass die Befunde nicht direkt auf den Menschen übertragen werden können. Entsprechende Untersuchungen können jedoch aus ethischen Gründen nicht an schwangeren Frauen durchgeführt werden. Daher ist es nicht möglich, direkte Belege für den Zusammenhang an schwangeren Frauen wissenschaftlich zu analysieren. Die Studienergebnisse sind insbesondere wichtig, wenn Paracetamol über einen längeren Zeitraum oder immer wieder episodisch während der Schwangerschaft eingenommen wird.
Prof. Dr. Hartmut Göbel: „Paracetamol wird auch heute noch in vielen Leitlinien als Schmerzmittel schwangeren Frauen nahezu bedenkenlos empfohlen. Selbst aktuelle Leitlinien und Empfehlungen sagen aus, dass Paracetamol auch in der Schwangerschaft zu jeder Zeit eingenommen werden kann. Gerade bei episodischen immer wieder auftretenden Kopfschmerzerkrankungen, wie z.B. Spannungskopfschmerz, Migräne oder Kopfschmerzen bei Infektionen wird Paracetamol in großer Häufigkeit eingenommen. Paracetamol gehört zu dem am häufigsten verwendeten Arzneimittel, gerade über die Selbstmedikation in Deutschland. Aus epidemiologischen Studien ist bekannt, dass über die Hälfte der schwangeren Frauen aufgrund undifferenzierter Therapieempfehlungen zu Paracetamol auch bei geringen Schmerzen greifen. Studien haben jedoch belegt, dass Paracetamol trotz der ausgeprägten Risiken für das gesamte Leben der Kinder bei Rückenschmerzen und Schmerzen der Muskulatur keine größere Wirksamkeit als ein wirkstofffreies Scheinpräparat hat. Auch für den Einsatz von Kopfschmerzen gibt es zahlreiche Alternativen. In Hinblick auf die umfangreiche Datenlage kann Paracetamol während der Schwangerschaft nicht mehr und schon gar nicht vorbehaltlos empfohlen werden. Schmerzen in der Schwangeschäft sollten immer nur nach ärztlichem Rat bei absoluter Notwendigkeit medikamentös behandelt werden“.
Schwangere Frauen sollten auf die neuen Studienergebnisse hingewiesen werden. Sie sollten sich bewusst und aktiv entscheiden können, ob aufgrund dieser Datenlage Paracetamol für die Behandlung von Kopf- oder Rückenschmerzen verantwortet werden kann. Schmerzmittel sollten gerade während der Schwangerschaft nur mit der geringsten wirksamen Dosis für die kürzeste mögliche Zeit und nur nach ärztlichem Rat eingenommen werden.
Prof. Hartmut Göbel: „Gerade Mütter, die einen Sohn als Baby erwarten, sollten besonders zurückhaltend mit der Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft sein“.
Umfangreiche internationale epidemiologische Studien haben bereits zuvor den Verdacht weiter erhärtet, dass durch die Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft das Risiko erhöht ist, das die Kinder, im späteren Leben an Asthma erkranken. Die Studien belegen, dass Paracetamol einen Einfluss auf die Entwicklung fötaler Stammzellen der Leber hat. Diese sind bedeutsam für die Entwicklung des Immunsystems. Eine Störung kann die Immunabwehr im späteren Leben negativ beeinflussen. Dieser Mechanismus kann erklären, warum Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Paracetamol eingenommen haben, im späteren Leben häufiger an Allergien und Asthma leiden.
Paracetamol während der Schwangerschaft erhöht nach neuen Studien bei den Kindern jedoch auch das Risiko für schwergradige Entwicklungsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizit-/Überaktivitätsstörungen (ADHS) und Hyperaktivitätssyndrom (HAS). Kinder, die vor der Geburt mit Paracetamol in Kontakt kamen, weisen eine substanzielle neuronale Entwicklungsstörung drei Jahre nach der Geburt auf.
Epidemiologische Studien aus Dänemark zeigen, dass mehr als die Hälfte aller Mütter berichten, dass sie während der Schwangerschaft Paracetamol einsetzen. Kinder von Müttern, die Paracetamol während der Schwangerschaft verwendeten, zeigten ein um den Faktor 1,37 erhöhtes Risiko für eine Krankenhausdiagnose einer hyperkinetischen Erkrankung. In Hinblick auf die hohe Einnahmehäufigkeit von Paracetamol während der Schwangerschaft sind diese Ergebnisse von sehr hoher Relevanz für Gesellschaft und erfordern hohe Aufmerksamkeit im Rahmen der Versorgung von Schwangeren und Kindern.
In Deutschland weisen die Fachinformationen zu Paracetamol immer noch nicht auf die mögliche Fetotoxizität hin. Trotz der deutlichen Hinweise seit mehreren Jahren heißt es dort, dass epidemiologische Daten zur oralen Anwendung therapeutischer Dosen von Paracetamol „keinen Hinweis auf mögliche unerwünschte Nebenwirkungen auf die Schwangerschaft oder die Gesundheit des Feten/Neugeborenen“ ergeben hätten. Schwangere Frauen werden nicht sachgerecht informiert und aufgeklärt, die Risiken werden beschwichtigt, ohne dass Paracetamol von bedeutsamen Nutzen in der Anwendung ist.
Weitere Quellen:
S. van den Driesche, J. Macdonald, R. A. Anderson, Z. C. Johnston, T. Chetty, L. B. Smith, C. McKinnell, A. Dean, N. Z. Homer, A. Jorgensen, M. E. Camacho-Moll, R. M. Sharpe, R. T. Mitchell, Prolonged exposure to acetaminophen reduces testosterone production by the human fetal testis in a xenograft model. Sci. Transl. Med. 7, 288ra80 (2015).
http://www.ed.ac.uk/news/2015/paracetamol-210515
Abstract der Studie in Science Translational Medicine
Pressemitteilung des Medical Research Council
Studie in Human Reproduction aus 2012 -
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