Guten Morgen liebe Elisabeth,
dann hast du mit der sich schneller kupieren lassenden Migräne ja frei nach dem tapferen Schneiderlein schon „Zwei auf einen Streich“ ?!
Ich weiß, dass ich mich in jüngeren Jahren immer schlecht gefühlt habe, wenn ich den vom Arzt und mir selbst „vorgeschriebenen“ Erfolg nicht vorweisen konnte. Das lag sicher mehr zum einen am vollkommen fehlenden Wissen meinerseits, zum anderen aber vor allem an meiner außerordentlich unrealistischen Erwartung, die Migräne zu „heilen“.
Ich fühlte mich damals wie ein Versager, da ich die „gewünschten“ Erfolge nicht geliefert habe und häufig gesagt bekam, dass bei vielen von episodischer und/oder chronischer Migräne Betroffenen das System der leitliniengerechten Behandlung „funktionieren“ würde.
Ich sehe das – wie sicher andere hier auch – inzwischen so: der Arzt ist mein Helfer, Begleiter und Berater, denn er ist der Fachmann. Ich bin für mich selbst verantwortlich und trage unter Abwägung der Argumente meines Arztes und im Hinbkick auf meine Risikobereitschaft, Bedenken und Fragen die Verantwortung für mich selbst. Das bedeutet, ob ich der Empfehlung folge und mich dafür oder dagegen entscheide.
Und ich sorge dafür, dass ich mir so viel Wissen wie möglich über meine Erkrankung aneigne, die seriösen Möglichkeiten dafür sind heute reichhaltiger denn je. An dieser Stelle wiederhole ich gerne und unermüdlich die Empfehlung des Buches von Prof. Göbel „Erfolgreich gegen Kopfschmerzen und Migräne“ und das Migränewissen auf der Internetseite der Schmerzklinik Kiel.
Aber die Anzahl der Migränetage geht gerade wieder steil nach oben. Und wenn ich nächste Woche wieder zum Kontrolltermin bei meiner Neurologin gehe, bekomme ich wieder einen drüber weil das so ist.
Ausgestattet mit Wissen, begleitet von der möglichst nahen Einhaltung der Verhaltensregeln und anderen Empfehlungen, könntest du deiner Neurologin selbstbewusst begegnen und „ihre Waffe des einen drüber zu bekommen“ keineswegs persönlich nehmen. Wenn auch die Zunahme der Migränetage unerfreulich ist, trägst du keine Schuld, denn dabei spielen so viele Faktoren eine Rolle – beeinflussbare und unbeeinflussbare.
Meine persönliche Erfahrung ist, dass ich Ärzten mit zunehmendem Alter und Wissen anders gegenübertreten und argumentieren kann als früher. Und weil ein Arzt in erster Linie eben auch erstmal Mensch ist, ist es durchaus verständlich, dass er möglicherweise selbst mit unguten Gefühlen – welcher Art auch immer – konfrontiert ist, wenn sich seine angewandten bewährten Therapien, die ja auch seinen eigenen Erfolg widerspiegeln, nicht bei jedem Patienten bewähren. Das ist ein sachlicher Fakt ohne Bewertung. Wertet der Arzt das Ergebnis als persönlichen Misserfolg, kann das schon zu nachvollziehbarem Unmut führen, aber es ist sein Problem.
Vielleicht hilft dir ein „Rollenspiel“ vor deinem nächsten Besuch bei deiner Neurologin: vor dem Spiegel, mit Familienangehörigen oder Freunden, um den Kontrolltermin bei deiner Neurologin so ruhig und entspannt wie möglich wahrnehmen zu können.
Vielleicht klingt das jetzt ein bisschen pampig und wäre deiner Neurologin gegenüber provokativ, deshalb würde ich diesen Satz bei Anwendung in freundlichere Worte verpacken, aber: aus dem Alter, in dem wir uns von anderen klein machen lassen, sind wir doch raus.
Du weißt sicher auch, dass nach einer gewissen Zeitspanne einer Vorbeugung ein Auslassversuch (meistens nach sechs bis neun Monaten) gemacht wird. Das trifft meines Wissens nach auch auf die Antikörper zu. In deinem Fall liegst du bereits über dieser Spanne. Das ist sicher kein Trost, aber eben auch eine gängige Maßnahme.
Alles Gute
Katrin
Viva la Vida! ?