Effektivität psychologischer Verfahren
Zur Effektivität von psychologischen Therapieverfahren liegt eine Reihe gut kontrollierter Studien vor. Wie bei der großen Bandbreite der Erkrankung nicht anders zu erwarten, gibt es bestimmte Patienten, die sehr gut auf psychologische Therapieverfahren ansprechen. Andere Patienten wiederum können keine positiven Effekte erzielen. In einer Analyse über viele Studien zeigte sich aber, dass im Durchschnitt 43 Prozent der Patienten, die eine Entspannungstherapie oder eine Biofeedback-Therapie bei ihrer Migräneerkrankung durchführen, einen positiven Effekt erzielten, während bei einer entsprechenden Placebo-Kontrollgruppe im Mittel nur etwa 14 Prozent positive Effekte erreichen konnten.
Dies führt natürlich zu der Schlussfolgerung, dass eine medikamentöse Prophylaxe nur geringen Raum hat: Warum sollte man eine medikamentöse Dauertherapie mit möglichen Nebenwirkungen in Kauf nehmen, wenn einfache nichtmedikamentöse Therapieverfahren nahezu gleiche oder sogar bessere Effekte haben? Eine medikamentöse Prophylaxe ist in der Tat nur dann sinnvoll, wenn der Patient bereits eine nichtmedikamentöse Vorbeugung der Migräne – in erster Linie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson – mit unzureichendem Erfolg durchgeführt hat, wobei er natürlich auch ausreichend geübt haben muss. Kein Patient darf erwarten, dass ohne sein Zutun, nur durch die Einnahme von Medikamenten, langfristige Therapieeffekte in der Migränetherapie erzielt werden.
Erfahrungsgemäß sind die Therapieerfolge von Stressbewältigungstrainings-Programmen und Selbstsicherheitstrainings-Methoden weniger gut abschätzbar, da es sich hier um komplexe Verfahren handelt. Zudem zielen sie weniger spezifisch auf die Verbesserung der Migräne, als vielmehr auf eine allgemeine Angstreduktion und eine insgesamt erhöhte Lebensqualität. Doch auch hier wurden gut kontrollierte Studien durchgeführt, die zeigen, dass die Konkordanztherapie, das Stressbewältigungstraining und das Selbstsicherheitstraining durchaus in der Lage sind, bestimmte Aspekte der Migräne positiv zu beeinflussen. Hier fanden sich vergleichbare Effekte wie bei der medikamentösen Prophylaxe. Allerdings sind die kognitiven Therapien sehr aufwändig. Dies spricht dafür, dass ein einfaches, von den Patienten selbst durchzuführendes Entspannungstraining, wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, in erster Linie in Frage kommt.
Gute Langzeiterfolge
Interessanterweise sind mit psychologischen Therapieverfahren sehr positive Langzeiteffekte zu erzielen. So zeigte sich, dass 50 bis 66 Prozent der Patienten, die gleich zu Beginn gut auf psychologische Therapieverfahren ansprachen, für den Zeitraum von einem bis zu fünf Jahren die positiven Effekte aufrechterhalten können. Ähnlich gute Langzeitresultate lassen sich mit den Möglichkeiten der medikamentösen Prophylaxe nicht erreichen.
Dies ist ein weiterer Grund, warum man vor einer medikamentösen Prophylaxe zunächst eine nichtmedikamentöse Prophylaxe ausprobieren sollte. Bei einem Nachlassen der Effekte lassen sich schließlich jederzeit Auffrischungssitzungen durchführen. Gerade bei der progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson kann sich der Patient anhand der CD noch nach Jahren jederzeit – ohne dass erneut ein Therapeut aufgesucht werden müsste – in das Entspannungstraining einarbeiten.
Die psychologischen Therapieverfahren haben natürlich besondere Relevanz im Kindes- und Jugendalter, da eine medikamentöse Prophylaxe für diese Gruppe ganz besonders ungünstig ist. Gerade für diese jungen Patienten sollten deshalb entsprechende Therapieangebote in Zukunft mehr genutzt werden.
Migräne-Wissen, Schmerzklinik Kiel